Ein Jahr „Rückvermeisterung im Drechslerhandwerk“
Wie es dazu kam und was es bis jetzt bewirkt hat
Am 12. Dezember 2019 verabschiedete der Bundestag Änderungen der Handwerksordnung, die für zwölf Gewerke wieder den großen Befähigungsnachweis einführen und am 14. Februar 2020 in Kraft traten. Ein großer Erfolg zum Erhalt des Drechslerhandwerks.
Walter Hoppe – Bundesinnungsmeister
Ein kurzer Rückblick soll erklären, warum. Im Rahmen der Agenda 2010 wurde die Handwerksordnung im Jahr 2004 zum ersten Mal seit ihrem Inkrafttreten 1953 erheblich reformiert.
Ziel war es, „Existenzgründungen und die Schaffung von Arbeitsplätzen zu erleichtern sowie die Inländerdiskriminierung durch den Meisterzwang abzubauen“, so die Argumentation der damaligen Regierung. Die Anzahl der meisterpflichtigen Gewerke wurde von 94 auf 41 Handwerke reduziert. 53 Handwerke waren nun zulassungsfrei; zur Ausbildung wird jedoch weiterhin der Meisterbrief verlangt.
Bei dieser Novelle wurde die Handwerksordnung erstmals mit nur knapper Mehrheit im Bundestag und nach Anrufung des Vermittlungsausschusses verabschiedet. Als der damalige Bundesvorstand des Drechsler– und Holzspielzeugmacherhandwerks um BIM Günter Huhn und den stellv. BIM Prof. Gottfried Böckelmann von den Plänen der Regierung „Wind“ bekamen, haben sie alles versucht, um die geplante Neueingliederung zu verhindern. Ihre vorgetragenen Argumente wurden von den Mitgliedern der Bundesregierung und des ZDH nicht gehört und verwirklichten sich nach Inkrafttreten des Gesetzes. Die Lehrlingszahlen gingen bedrohlich zurück, die Meisterausbildung fand so gut wie gar nicht mehr statt.
Daraufhin erhielt unser Verband ein Anschreiben mit einem Fragebogen, überschrieben mit „Konsultation zur Wiedereinführung der Meisterpflicht bei zulassungsfreien Gewerken“. Nach mehrmaligem Durchlesen des sehr umfangreichen Fragenkatalogs war es unerlässlich, einen Arbeitskreis aus Drechslermeistern zu gründen, um zunächst einmal Grundlegendes zu diskutieren und die Leitlinien unserer Antworten festzulegen. Nach mehreren Treffen, Telefonkonferenzen und unendlichem Mailverkehr zeichneten sich einige Schwerpunkte ab, die wir dann noch einmal gesondert hervorgehoben haben. Im Fokus standen da die Ausbildung in unserem Handwerk, die Erhaltung wenig praktizierter „alter“ Techniken, der Arbeits– und Gesundheitsschutz in den Werkstätten sowie der Gesundheitsschutz für die Konsumenten. Eine weitere Herausforderung waren die zugrunde liegenden verfassungs- und europarechtlichen Fragen, die dezidiert beantwortet werden mussten. Das Verfassungsrecht und das Europarecht fordern eine umfassende Begründung und Rechtfertigung aus Zahlen, empirischen Daten und Fakten.
Nach dem Versenden der Unterlagen bekamen wir den Fragebogen vom BMWi noch einmal zurückgesandt, mit der Bitte, die markierten Fragen noch tiefergehend zu beantworten.
Im Anschluss an diese schriftliche Konsultation fand am 4. / 5. Juni 2019 im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie zusätzlich eine mündliche Anhörung aller Gewerke und interessierten Kreise statt.
Zu diesem Termin fuhren Geschäftsführer Thomas Mörtel, stellv. BIM Wolfgang Miller und ich nach Berlin, um unser Anliegen zu erörtern.
Wir trafen auf ein sehr gut vorbereitetes Frageteam von Seiten des Ministeriums.
Die uns sowie den anderen Gewerken gestellten Fragen zeigten, wie tiefgehend sich der Ausschuss mit der Thematik befasst hat. Interessant war auch, dass einige wenige Gewerke die Rückvermeisterung für ihren Bereich nicht wünschten.
Wie dann bekannt wurde, ist unser Handwerk mit elf weiteren Gewerken zurück in die Anlage A der HWO gestuft worden. Das Bundeswirtschaftsministerium nahm dies zum Anlass, eine Delegation des Deutschen Drechslerverbandes Anfang 2020 zu einem Austausch mit dem Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Peter Altmaier, nach Berlin einzuladen.
Der Minister empfing Verbandsgeschäftsführer Thomas Mörtel, den stellv. Bundesinnungsmeister Wolfgang Miller und mich in seinem Büro.
Mit einem kleinen Erinnerungspräsent, einem trommelgedrehten Stiftehalter samt Stiften, bedankten wir uns bei Minister Altmaier.
Neben der Freude über das Erreichte sieht sich der Verband weiter in der Verantwortung, den Erhalt unseres Gewerkes zu sichern, die Ausbildung der Auszubildenden und der Meisterinnen und Meister fortzuführen und die Zahlen zu erhöhen. Im letzten Jahr hat endlich mal wieder ein Meisterkurs stattfinden können. Vier Meister haben bereits mit Erfolg den Abschluss bestanden. Einige der neuen Kollegen haben uns in Gesprächen mitgeteilt, auch ausbilden zu wollen.
In den letzten zwei Jahren bekamen wir sehr viel Aufmerksamkeit in den Medien. Tages – und Wochenzeitungen, weitere Nachrichtendienste als auch Radio und Fernsehen berichteten ausführlich über das Drechsler und Holzspielzeugmacherhandwerk. Diese mediale Aufmerksamkeit hätte unser Verband ohne die Rückvermeisterung und den Eintrag
in das Bundesdeutsche Immaterielle Kulturerbe wohl nicht erhalten. In diesem Sinne wollen wir weitermachen.